7. Oktober 2007

Der Weg zum Altersheim ist nicht weit. Dennoch war ich nun schon seit ein paar Wochen nicht mehr dort. Manchmal fühle ich mich schlecht deswegen. Mein Opa wohnt dort. Schon seit 5Jahren. Fast 70 Jahre hat er in Paderborn gewohnt..mitten in der Stadt. Allerdings hat er den Tod meiner Oma nie verkraftet und kam allein in der großen Wohnung nicht mehr zurecht. Jetzt lebt er dort. Hat ein schönes Zimmer mit vielen Bildern und einem wahnsinnigen Ausblick. Wenn sich die große Eingangstür öffnet, sitzt da immer ein Mann im Rollstuhl. Ich lächel ihn jedesmal an und wünsche ihm einen schönen Tag aber geantwortet hat er noch nie.Mein Opa erzählt immer gern. Er war Tischler und wußte alles über Holz. Vieles hat er mir beigebracht. Manchmal saßen wir stundenlang im Keller. Er hat mir gezeigt wie man einen Hobel benutzt, wie man mit einer Bohrmaschine umgeht, wie man Holzleim unbemerkt aus dem guten Rock bekommt oder wie man kleine Figuren schnitzt. Ich kann zwar nicht unfallfrei durch Türen gehen..aber mit der Laubsäge,jahaaa..damit kann ich umgehen. Zu Weihnachten bekam ich immer etwas gebasteltes von ihm. Zum Beispiel ein Puppenbett, ein Puppenschrank, ein Puppenhaus mit Balkon, eine wunderschönes Schmuckkästchen, Einrichtung fürs Puppenhaus..oder ein eigenes Bett.
Ich muss zum Fahrstuhl, 4. Etage. Bloß nicht in die 3.Etage, denn das ist die geschlossene Etage..und wenn man keinen Pfleger findet, dann kommt man da so schnell nicht mehr raus. Pling. 4.Etage.
Der Flur ist eierschalengelb gestrichen und wirkt sehr hell und freundlich. Es riecht nach Medikamtenten und Putzmittel.Ich mag den Geruch nicht. Ein Pfleger kommt mir entgegen..hastig und leicht gestresst. Ich nicke ihm zu aber er ist schon längst abgebogen.Gestresst war Opa nie. Wenn er meine Hand nahm und wir zusammen durch die Stadt spazierten dann kannte er die besten Stellen, die wildesten Geschichten und die tollsten Kaugummiautomaten. Wir saßen manchmal ewig im Dom und er flüsterte mir kleine Dinge zu. "Daaadiiidadaaaa Daaaa diiiiii da daaaa..." summte er dabei ständig und strich über mein Haar. Jedes Bild das ich ihm gemalt hatte, wurde eingerahmt und der Rahmen war aus den teuersten Holzresten.Denn auch Holzreste sind kostbar.Logisch.
Im hintersten Zimmer wohnt mein Opa. Ich klopfe an und öffne die Tür. Ich weiß genau wie ich bei ihm auf dem Schoß saß. Er hatte immer einen Anzug an. Der war immer etwas kratzig, roch nach Holz und nach Rasierwasser. In der Jackentasche hatte er eine Taschenuhr, ein Maßband und ein Taschenmesser.Meine Süße, hat er mich immer genannt, wahrscheinlich auch, weil ich immer so gern Süßes aus seiner Süßigkeitenschale gegessen habe.
"Opa?"Ich ging weiter in sein Zimmer. Die Wanduhr tickte leise. "Ich bin es..deine Mia..bist du da?" Das Fenster war geöffnet und die Vorhänge wehten leise. Mein Opa lag ihm Bett. Komisch..um diese Uhrzeit? Kalt war es. Ein Gitter war am Bett befestigt. Das war vor drei Wochen noch nicht da. Er lag da und atmete leise. Ein Schlauch führte zum Bett. Ich sah ihn an, doch seine Augen waren leer..und so müde..so furchtbar müde. Vorsichtig zog ich einen Stuhl an sein Bett. "Opa?"Sein Gesicht war eingefallen und seine Hände waren fast durchsichtig. Er blinzelte einmal, ich nahm seine Hand und drückte sie leicht. "Da diii daaa daaaa..Daaaa didaaadaaaaa" sang ich leise und musste weinen und ganz leise und kaum hörbar summte er:"Dadiiidaaaaa daaa..."

7 Kommentare:

  1. das ist so traurig und schön zugleich...ich hab mitgeweint -.-'

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  2. Hallo liebe Mia,
    Dein Opa scheint ein ganz liebenswerter Mensch zu sein. Es ist bestimmt manchmal schwer, jemanden, den man liebt, in so einem Zustand zu sehen, denn man kennt ihn anders - fröhlich, herzlich, eben einfach lebendig.
    Zu sehen, wie so jemand dann in einem Bett liegt, kaum sprechen kann und an Schläuche angeschlossen ist, tut unheimlich weh.

    Trotzdem - besuch ihn. Noch kannst Du es, noch ist er da. Noch kannst Du ihm sagen, wie lieb Du ihn hast und wieviel er Dir bedeutet. Ich glaube, sobald man das nicht mehr kann, wünscht man sich, es öfter getan zu haben...

    Tut mir leid, daß ich mich schon länger nicht mehr gemeldet hab, irgendwie war mir nicht nach schreiben und es war auch ne Menge los bei mir. Vielen Dank für Deine lieben Worte auf meinen letzten Kommentar, sie haben mir sehr geholfen, v.a. an dem Abend!
    Mein Vater wurde kurz nach diesem Abend noch ein zweites Mal operiert, wurde einen Tag im künstlichen Koma gelassen, zwei Tage lang künstlich beatmet und hat noch immer eine Magensonde sowie zig Schläuche mit Infusionen etc. Aber es geht ihm inzwischen wohl wieder etwas besser und ich hoffe, daß ich diese Woche mit ins Krankenhaus fahren darf, um ihn zu sehen! :)

    Fühl Dich mal lieb gedrückt und bis bald,
    liebe Grüße,
    Christine

    (schon wieder so nen langer Kommentar... sorry :))

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  3. @Christine: Nix sorry, gibt dann mal etwas mehr zum lesen als die normalen ein-satz-Kommentare. :)

    @Mia: Ich kann der Christine nur recht geben. Besuch deinen Opa nun häufiger. Er wird es gewiß mitbekommen und sich darüber freuen, auch wenn er es dir nicht mehr so wie früher zeigen kann. Positiv denken. :-)

    Meine Oma war nicht allzu lang im Krankenhaus, besucht habe ich sie aber trotzdem und ich bin dankbar für die Gelegenheit gewesen. :)

    Und zum Bild, bist du das Kind, was da so vorranmaschiert? Das wäre dann ja immerhin schon mal ein Bild vom großen Ganzen. ;)

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  4. @tinchen: Danke.

    @christine: Nun danke ich dir für deine Worte.Es ist nicht leicht..der Anblick hat mein Herz ganz schwer gemacht und ich weiß nicht wie ich das alles hinbekommen soll. Es fällt mir schwer dazu was zu sagen. Sehr schwer.

    Aber ich freue mich für dich. Das klingt doch alles gut. Und es wird auch wieder gut..ganz bestimmt.Ich wünsche es dir wirklich.Und das meine ich auch so.

    Bis bald liebe Christine..und lange Kommentare sind immer gern gesehen. :)

    @martin:Du hast ja recht..ich werde morgen nach der Arbeit hingehen..aber es fällt mir sehr schwer.Die Bilder in meinen Kopf und die Realität vor Augen..das passt nicht zusammen.Es tut mir weh ihn so zusehen.Herje.

    Auf dem Bild das sind meine Brüder, meine Großeltern und meine Mama..ich war da noch gar nicht da. :)Tut mir leid..wieder nichts.

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  5. Hi Mia,

    erstmal drücke ich Dich ganz fest und hoffe, das tröstet Dich ein bißchen. Ich habe beide meine Großväter, an die mich Dein Großvater, wie Du ihn beschreibst, sehr erinnert, leider schon verloren und vermisse sie auch jetzt, nach Jahren, noch sehr.

    Ich weiß also, wie Dir zumute ist. Auch, wenn es schwer ist, besuche Deinen Opa oft, es ist wichtig für ihn. Mein einer Großvater hat drei Monate im Krankenhaus gelegen, bevor er starb, und er hat sich tierisch gefreut, wenn ich da war. Leider war ich nicht oft da, weil es so weit weg war und ich erst 16 war. Das bereue ich heute noch sehr.

    Erzähl Deinem Opa viel und sei bei ihm. Und ich drücke Dir und ihm die Daumen, daß Ihr noch eine gute Zeit miteinander habt.

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  6. Liebe Mia, an dieser Stelle weil ich beim heutigen Post keinen Kommentar hinterlassen konnte. Kämpfe nicht mit den Tränen, lass sie raus! Heule, tobe, schreie wenn Dir danach ist, werde leise, wenn Dir danach ist...und irgendwann wirst Du auch lächeln wenn Du an das Tanzpaar denkst! Ich schicke Dir eine warme Umarmung an dieser Stelle. Hätte ich ne Mailadresse gehabt, ich hätte Dir weniger öffentlich ein paar Worte geschickt. Kannste hier also auch gern wieder löschen.
    Alles, alles Liebe für Dich! Siv, auch mit nem Tränchen im Auge

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  7. .... mein mitgefühl, auf dass sie ihren ersten tanz geniessen konnten... viel kraft, mia!

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