17. März 2010

Fräulein Anna Mittel

Da lebt eine junge Frau in der Mitte der Weisenstraße. Sie ist mittelgroß, mittelhübsch, mittellaut, mittelbeliebt. Kurzum: Sie ist unauffällig. Sie ist einfach so da. Irgendwie. Sie fällt niemanden auf. Sie kann nicht schreien. Tanzen kann sie auch nicht. Sie kann nicht singen und nicht malen. Eigentlich ist sie überhaupt nicht kreativ. Sie hat nicht viele Freunde. Eigentlich keine. Aber sie hat eine Katze. Eine hübsche. Echt wahr.
Die junge Frau ist schüchtern. Nicht mittel- sondern sehr. Sie traut sich nicht einmal eine Bedienung im Cafe ,gegenüber ,anzusprechen. Daher geht sie nicht ins Cafe. Sie geht auch nicht in die Stadt. Auch nicht ins Kino. Sie geht nie aus. Nur zur Arbeit und zum Einkaufen. Dann wieder nach Hause. Dann geht sie immer etwas schneller.Um wieder schnell in der Wohnung zu sein. Da fühlt sie sich sicher. Da trinkt sie eine Fanta, schaut etwas im Fernsehen, schaut aus dem Fenster, isst ein Brot mit Gouda und dazu ein Gürkchen. Manchmal zwei. Wenn sie in Festtagslaune ist.
Die junge Frau ist nicht unglücklich. Aber glücklich ist sie auch nicht.Sie ist einfach so da. Tag ein und Tag aus. Geht ins Büro. Tippt irgendwelche Sachen ab. Geht nach Hause. Isst ein Brot und trinkt dazu Fanta. Dann zieht sie ihren Pyjama an. Denn himmelblau gestreiften. Zieht die Vorhänge zu und geht ins Bett. Jeden Tag. Auch am Wochenende. Am Wochenende bleibt sie manchmal eine Stunde länger im Bett. Dann steht sie erst um 8.00Uhr auf. Setzt sich vors Fenster, schaut den Leuten draußen zu, spielt mit ihrer Katze, geht schnell in den Supermarkt um danach Fernsehen zu schauen. Danach isst sie ein Brot und zieht ihren Pyjama an. Denn violetten. Weil ja Wochenende ist. Dann geht sie ins Bett. Langweilig ist ihr nicht. Sie kennt es ja nicht anders.
Mir war die junge Frau immer egal. Sie war mir zu unauffällig. Selbst ihre Haare waren mittelblond. Ihre Kleidung war meistens grau und ihr Gesicht immer etwas fahl. Manchmal wenn sie so an mir vorbei huschte, hätte ich sie gern geschüttelt, dass wenigstens ihr Gesicht die Farbe wechselte.
Eines Tages sollte es anders kommen. "Hallo, ich bin Anna." sagte sie sehr schüchtern.Sie lächelte. Etwas schief. Schnaufte. Leise. " Ich bin die Mia." "Ich habe die schon oft gesehen. Du gehst immer durch meine Straße. Ich wohne hier. Da. Da vorne. Tut mir leid, dass ich dich einfach so anspreche. Aber ich sehe dich jede Tag. Und du wirkst nett. Irgendwie." Sie lächelte noch schiefer. Plötzlich wurde ich mittellaut. Und etwas kleiner. Mein Gesicht wechselte die Farbe. Und die junge Frau- war mir plötzlich nicht mehr egal. Wir tranken eine Fanta, im Cafe gegenüber. Ich bestellte. Sie schaute zu. Sie redete, mittellaut. Kicherte. Lauter. Ich erzählte. Sie hörte zu. Aufmerksam. Sie war nett. Richtig nett.Und gar nicht mehr so richtig mittelmäßig.

Ich glaube, in jeder Stadt gibt es eine Straße, in der eine junge Frau wohnt. Man muss sie nur entdecken.

7 Kommentare:

  1. Ich hoffe, ihr beiden werdet weiterhin was zusammen machen. Denn von dieser Frau zu hören ist irgendwie toll. Ob sie eines Tages gar nicht mehr mittel sein wird?

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  2. aww, das ist eine so schöne geschichte!
    liebe grüße, mars

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  3. Verdammt mutig Jemanden anzusprechen und ihm auchnoch zu sagen, dass er sympatisch wirkt.

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  4. .. mindesstens genauso groß wie der Mut auf eine fremde Person zuzugehen und sie anzusprechen ist wohl auch die Ausstrahlung die eine Person hat einem Fremden diesen Mut zu geben .. ich glaube Du hast diese Ausstrahlung auf Andere Mia

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  5. @fee:Ich glaube, sie bleibt immer etwas mittel. Fühlt sich damit auch sehr wohl. Ich sehe sie nicht regelmäßig. Ab und zu mal. Aber vielleicht gibt es bald schon wieder eine neue Geschichte von ihr. :)

    @mars: Danke sehr!

    @rinjah: Ja, sie ist wahnsinnig mutig. Ich würde mich sowas nie trauen. Ne.

    @günther:Ich weiß nicht, früher haben mich häufiger Leute angesprochen. Einfach so. Zur Zeit passiert das nicht mehr so häufig. Aber es gehört sehr viel Mut dazu einfach so auf jemanden zu zugehen. Da würde ich es niemals übers Herz bringen sie abblitzen zu lassen.

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  6. Sehr schön geschrieben! Daumen hoch!
    LG
    Esra
    http://nachgesternistvormorgen.netai.net/

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  7. Wie schön und lebendig du das beschrieben hast ....dachte ich währe dabei gewesen.
    Manchmal sind die "leisen" diejenigen die interssanter sind als die "lauten"!
    Und ja ......auch wenn man es sich nicht vorstellen kann ....es gibt Leute die sind mit ihrer "kleinen Welt" glücklich ...warum auch nicht ...muss ja nicht jeder in die kalte fremde gefährliche Welt hinaus!
    Also was ich sagen wollte .....das war sehr schön zu lesen ....und dein Bericht über Mia auch !

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