Als ich ein kleines Mädchen war, sagen wir so 5Jahre alt, da war ich mitfühlend. Ich habe kleine Spinnen mit ins Haus genommen, damit sie draußen nicht erfrieren, ich habe Regenwürmer mit meiner kleinen Entengießkanne begossen, damit sie nicht vertrocknen. Käfer die auf dem Rücken lagen habe ich vorsichtig umgedreht und Schnecken habe ich von der Straße auf den Bürgersteig gesetzt.
In meiner Kindergartengruppe war ein Mädchen, dass weder ein Brot mit hatte, noch wärmende Sachen trug. Daher schenkte ich ihr immer gern mein kleines Käsebrot und eines Tages auch meine wärmende, blitzneue Regenjacke. Die mit den Marienkäfern. Meine Mutter war ärgerlich. Sehr. Aber ich hatte ja noch die alte Regenbogenregenjacke und das Mädchen war glücklich. Sehr. Sehr.
Als mein großer Bruder einmal, aus Versehen, auf einen Kartoffelkäfer trat- weinte ich 3Stunden lang. Er tat mir so leid. So unendlich leid.Ich stellte mir seine Familie vor, die Abenteuer- die er noch nicht erlebt hatte und überhaupt alles.Schreckliche Tragödie.
Als ich 7Jahre alt war, starb ein Nachbar. Eigentlich kannte ich ihn nicht. Man hat ihn auch selten gesehen. Aber die Nachricht traf mich. Ich habe darüber nachgedacht, ob er wohl einsam war...oder glücklich. Ich habe ihn dann mit meiner Oma auf dem Friedhof besucht. Einen Tanz wollte ich ihm zeigen, etwas das ihn vielleicht freuen würde. Und so tänzelte ich von Grabstein zu Grabstein. Meine Oma erklärte mir, dass man so etwas nicht macht. Tote Menschen finden so etwas nicht hübsch und die Angehörigen erst recht nicht. Also sammelte ich Gänseblümchen und legte sie neben den Grabstein. Ob er sich darüber gefreut hat- weiß ich nicht.
Mit 14Jahren besuchte ich regelmäßig ältere Leute in der Straße. Ich erzählte ihnen Geschichten und hörte ihnen zu. Es tat mir weh, sie ständig so einsam und allein zu sehen. Niemand besuchte sie mehr. Wenn sie irgendwann starben- dann starb ich auch immer- so ein wenig.
Mit 18 wollte ich eine Kunstschule besuchen. Zwei Prüfungen hatte ich bereits bestanden. Ich musste nur noch eine Aufgabe erfüllen. "Malen sie die "Ruhe nach dem Sturm". Sofort sprudelten Ideen durch meinen Kopf. Farben tropften innerlich in mir und wellenartige Muster breiteten sich aus. Neben mir saß ein Mädchen. Klein und schüchtern.Leise schluchzend. Ich sprach kurz mit ihr. Sie musste bestehen, hatte alles auf eine Karte gesetzt um diese Schule zu besuchen. Ihre Schule hingeschmissen und sich mit den Eltern zerstritten. Ein gutes Gefühl hatte sie bislang nicht. Angst und Panik breiteten sich in ihr aus. Keine Idee. Verzweiflung. Ich habe gemalt. Jede Farbschicht mit voller Hingabe aufgetragen. Jedes Detail bedacht. Als ich fertig war habe ich ihr mein Bild zugeschoben. Dann bin ich gegangen. Lautlos.
Meine Oma hat immer gesagt: " Dein Mitgefühl Mia ist zwar wundervoll- aber irgendwann wird es dir zum Verhängnis. Mia, kleine Mia. Du darfst nicht immer so mitfühlend sein und dir nicht immer alles so zu Herzen nehmen. Das ist nicht gut für dich. Es gibt nicht nur gute Menschen auf dieser Welt. Irgendwann begegnest du schlechten. Mia, kleine Mia. Pass immer gut auf dich und auf dein kleines Herz aus."
Das sagte sie und brachte Herrn Wittler (78Jahre alt, Witwer) das Mittagessen. Schließlich konnte er nicht gut kochen und sein liebstes Essen war nun einmal Schweinebraten mit Rotkohl. Den konnte meine Oma ganz großartig. Ohja.
Heute berühren mich immer noch viele Geschichten, Menschen und Erlebnisse.
Ich drehe immer noch strampelnde Käfer um, setze Schnecken auf eine Wiese und besuche ältere Leute. Ich verschenke meine Handschuhe und backe für die Nachbarschaft Kuchen oder Plätzchen. Vieles berührt mich, einiges verletzt mich, noch mehr erfreut mich. Manches schmerzt, einiges enttäuscht, hin und wieder überfordert und manchmal laugt es mich aus. Komplett. Manchmal liege ich nachts wach. Oftmals hingegen glücklich und erfreut und immer wieder spüre ich einen Herzschlag.Meinen. Poch. Poch. Poch. Dann merke ich, dass ich noch lebe. (Und ich möchte kein wenig anders sein, auch wenn es manchmal schmerzt)
Oh wow. Ich bin gerade irgendwie total berühert und habe ein paar Tränchen in den Augen...ganz ehrlich. Ich helfe auch gerne und irgendwie auch enttäuscht, aber mit so viel Eifer und Hingabe...nein, das kann ich nicht (mehr)
AntwortenLöschenDas ist echt bewundernswert. UNd das mit demM ädchen in der Kunstschule...hast du mal wieder was von ihr gehört, wurde sie wegen deinem Bild genommen? Das würde mich ja echt interessiern.
So und jetzt lese ich den Text nochmal ... das Gänsehautgefühl noch etwas erhalten ...
sehr sehr lieb!
AntwortenLöschenWow! Toller Text, ich bin auch oft so, zu oft...Manchmal sollte ich mehr an mich selber denken, aber das fällt mir schwer. Habe selbst Mitgefühl mit Menschen die nicht nett zu mir sind, hach.
AntwortenLöschenIch habe Tränen in den Augen.
AntwortenLöschenWow!Sehr schön!
AntwortenLöschenDas ist ein toller Text und ich bin mir sicher, dass all die Menschen und Tiere, die du gerettet und glücklich gemacht hast, oft an dich denken. Und das ist schön.
AntwortenLöschen@meli: Ich danke dir für deine lieben Worte. Weißt du, ich kann nicht anders. Ich bin einfach so. Eben stand ich in Stadt. An der Bushaltestelle. Neben mir ein älteres Ehepaar. Händchen haltend aber sehr unglücklich aussehend. Sofort hatte ich Bilder und Geschichten im Kopf. Am liebsten hätte ich sie umarmt- aber das konnte ich dann doch noch verhindern. Aber solche Sachen nehmen mich mit. Ich vergesse sie nicht so schnell- und irgendwann kann so etwas belasten oder selbst unglücklich machen.
AntwortenLöschenAlso- es ist nicht immer positiv so zu sein.
(Von dem Mädchen habe ich nie wieder etwas gehört.)
@kathrynsky : Danke sehr.
@vintagehippieloves: Ja, so geht es mir auch. Ich sollte mir nicht um alles und um jeden Gedanken machen. Aber ich kann nicht anders.
@looka: Vielleicht verstehst du mich- warum ich manchmal nicht anders kann.
@steffen: Danke!
@fee:Danke für die lieben Worte. Leider macht mich das alles zur Zeit sehr unglücklich, da ich mich zuviel mit anderen beschäftige und zu wenig an mich selbst denke.
Das muss ich noch lernen. Irgendwie.
Bleib bloß wie du bist. So ist das genau richtig!
AntwortenLöschenWunderschöne Frau.
AntwortenLöschenWunderschöner Text.
Wunderschönes Wesen.
Die neue Mutter Theresa? Warum lässt du dich so huldigen?
AntwortenLöschendie welt wäre definitiv schöner, wenn es mehr menschen wie dich gebe! danke im namen aller, die das vielleicht nicht zu dir gesagt haben!
AntwortenLöschen: ) Du hast wirklich einen sehr bemerkenswerten Blog. Wunderschön. So schön. Herzlich.
AntwortenLöschenDanke.
AntwortenLöschenIrgendwie hat mich dein Text auch sehr angerührt... aber ich habe in meinem Leben Erfahrungen machen müssen, die es nicht gut erscheinen lassen sich zu sehr um andere zu kümmern.
AntwortenLöschenZudem kannst du alleine die Welt nicht retten und gut machen. Aber wenn ich andererseits überlege, wenn jeder ein bißchen auf seine Umwelt achten würde und notwendige Hilfe leisten würde, ging es vielleicht allen besser...
ok. dieser text bringt mich jetzt dazu, dich wieder zu lesen. ich muß einfach! <3
AntwortenLöschenMia, du bist ein wundervoller Mensch! Ich bin erst eben auf dein Blog gestoßen und bin verzaubert. Ich kenn dieses Gefühl von Mitgeflühl, diese eigenartige Melancholie. Schnecken rette ich auch noch immer ...
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