19. November 2009

Die tollste Frau. Ever.

Es war ein Winterabend. Ein Winterabend so wie heute. Der Himmel mischt sein ödes graublau mit einem knalligen pinkorange und die wenigen Vögel, die noch da sind, plustern sich in den Bäumen auf. Kalt ist es. Stürmisch. Mal kein Regen Ich mag solche Winterabende. Mochte ich schon immer. Ja.
Es war ein Winterabend. So wie heute. Als meine Oma hinter mir stand. Mir durch mein Haar strich und etwas meine Wange hielt. Sie stand da. Ganz ruhig. Wir schauten aus dem Fenster und betrachteten den graupinken Himmel. Sie roch nach frischer Dauerwelle und Haarspray, ihre Wangen waren leicht gerötet und ihre Hände rochen nach frischer Seife und Lavendel. "Die Engel backen Plätzchen." Ich nickte leise. Seit mehr als 20Jahren erzählte sie mir von den Engeln, den Plätzchen und den riesigen Öfen. Jedes Jahr wieder. Und jedes Jahr wieder war ich etwas erstaunt, überrascht und erfreut.
Es war ein Winterabend. Ein Winterabend so wie heute. Als meine Oma das letzte Mal bei mir war. Ihre Tasche stand im Flur, so wie immer. Mein Opa saß im Sessel, vor der Heizung und döste ein wenig. Meine Oma redete und redete. Sie erzählte gern. Sehr gern. Sie erzählte von Nachbarn und komischen Leuten, von Spaziergängen und armen Kindern, von mürrischen alten Damen und ihren Hunden, von eleganten Herren und  verwirrten Studenten. Sie redete und dabei sprudelte es fast aus ihr heraus. Sie war herzlich. So verdammt herzlich. Sie trank Kaffee und biss zwischen durch in ein Ochsenauge. (Mir brachte sie immer einen Nougatring mit- obwohl ich den nie so wirklich mochte.) Sie war herzensgut und heimlich wollte ich immer so werden wie sie. Ja, das war mein Plan.
Es war ein Winterabend. Ein Winterabend so wie heute. Als meine Oma starb. Plötzlich. Unerwartet. Einfach so. Ohne sich zu verabschieden. Ein Anruf, betroffene Gesichter. Kein Wort wurde gesagt, dennoch wusste ich sofort was passiert war. Tränen tropften auf den gefrorenen Boden. Pitsch. Platsch. Klirr. Zerbrochen. Eine Träne. Ein Herz. Eine kleine Welt. Meine kleine Welt.
Es ist wieder so ein Winterabend. Wieder so ein Winterabend an dem ich meine Oma vermisse. Ihr Lachen, ihre herzliche Art, ihre Geschichten, ihre warmen Hände, ihren Geruch und selbst ihre Nougatringe fehlen mir. Alles fehlt. Manchmal, an so einem Abend, wünsche ich mir nichts sehnlicher als in den Arm genommen zu werden und noch einmal " Mieze, meine kleine Mieze" zu hören. Leise. Ganz leise. Und dann flüstert sie mir noch einmal die Geschichte von den Engeln, den Plätzchen und den riesigen Öfen ins Ohr- bevor, ja bevor ich sie vergesse.

4 Kommentare:

  1. geht ans Herz. Danke!

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  2. Nachdem ich dich in Hamburg gesehen habe, muss ich sagen, dass du wahnsinnig nett, süß und niedlich aussiehst und bist. Du bist das tollste Geekmädchen!
    Ich glaube, du bist längst so toll wie deine Oma, du weißt es nur noch nicht.
    Trinken wir noch einmal einen Kaffee zusammen? Vielleicht in Paderborn?

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  3. einen menschen vermissen, der unwiederbringlich verloren ging ist eines der am schwersten auszuhaltenden gefühle.
    toller text.

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  4. Ach schön geschrieben, ich wette Deine Oma schickt Dir ganze viele Küsse durch den Himmel!

    Du wirst so, bist auf einem guten Weg!

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