4. Juli 2008

Ihr Wechselgeld...

Der Supermarkt ist nur ein paar Schritte entfernt. Oft laufe ich, in der Mittagspause, schnell hin. Noch etwas Obst, eine Zeitung, leckeres Brot oder etwas Käse. An der Kasse sitzt dann immer ein junger Mann. "Hier bedient sie Herr Jakob."Steht zumindest auf dem kleinen Schildchen. Herr Jakob ist ungefähr so alt wie ich. Ich schätze ihn auf 28. Vielleicht auch 29. Älter nicht. Herr Jakob hat immer schwarze Shirts an. Coole schwarze Shirts. Herr Jakob lächelt selten und spricht kaum. Stört mich nicht, die alten Damen aber. Sehr.Die unterhalten sich schließlich gern. Er wohl nicht. Eigentlich passt Herr Jakob so gar nicht in diesen verschlafenen kleinen Supermarkt. Ne. Dennoch sitzt er immer an der Kasse. "5,89€."sagt er kurz und kramt dabei schon das Wechselgeld raus. Er weiß, dass ich ungern nach Kleingeld suche. Ich wünsche ihm dann immer einen schönen Tag. Ach, und einen schönen Feierabend. Ganz bald. Er lächelt dann kurz und sucht schon wieder neues Wechselgeld. So geht es Tag ein und Tag aus.
Neulich stand eine Dame vor mir. "Sie bekommen die Zähne auch nicht auseinander. Herrgottnochmal. Die Frau Marx ist viel netter. Viel netter. Die hat auch mal ein offenes Ohr und ein liebes Wort. Jaha. Herrgottnocheins." "Das macht dann 17,99€" sagte er und suchte bereits das Wechselgeld. "Herrgottnochmal. Und dann noch so viel Geld abknöpfen .Jesusmariaundjosef. Das hält man im Kopf nicht aus...." murmelnd packte sie ihre Einkäufe in ihre dunkelblaue Stofftasche und ging Kopf schüttelnd davon. "Herje, es gibt schon verdammt nervige Damen. Immer dran denken..bald ist Feierabend." Aufmunternd sah ich ihn an. Er lächelte kurz und nickte leicht. "7,67€. Bekomme ich." Ich gab es ihm. Passend. Genau 7,67€. Verwundert sah er mich an. Das passende Wechselgeld hatte er schon längst in der Hand. "Danke. Ich wünsche dir einen schönen Tag." Verwundert sah ich ihn an. Er hat mir noch nie einen schönen Tag gewünscht. Er lächelte. "Ach und einen schönen Feierabend. Ganz bald." "Danke sehr,"murmelte ich und ging.
Danach habe ich ihn eine Zeit lang nicht gesehen. Frau Marx saß an der Kasse.Jeden Tag. Die alten Damen freuten sich. Sehr. Und ich musste länger warten. Denn sie redeten und redeten. Viel. Sehr viel. Ständig starrte ich auf meine Uhr. Wechselgeld hatte Frau Marx auch nie." Habn sie es nich passend? Schaun se doch ma. Se haben da doch bestimmt Kleingeld." Dabei hasse ich es. Also nach Kleingeld zu suchen. Herr Jakob wusste das. Frau Marx interessiert das nicht. Vor mir stand wieder die alte Dame. "Sagen sie, arbeitet dieser komische junge Mann gar nicht mehr hier? Den habe ich schon lange nicht mehr gesehen." Frau Marx Augen funkelten. Für ein Gespräch war sie immer zu haben. Ich starrte auf meine Uhr und balancierte das Päckchen mit Salz auf der Tüte mit fettarmer Milch. Sie flüsterte:"Haben sie denn noch nicht davon gehört? Er war doch verschwunden. Der arme Irre. Alle haben ihn gesucht. Ach,der war doch eh komisch. Erzählte ja auch nichts. Komischer Irrer." Ich räusperte mich und sie musterte mich kurz. "Naja, hat sich jetzt eh erledigt. Der arme Irre ist von der Brücke gesprungen.Vor ein paar Tagen haben sie ihn erst gefunden. Morgen ist die Beerdigung. Na mal sehen, muss man ja mit hin, nicht wahr? Die arme Mutter, ach für eine Mutter muss so was schlimm sein."Die alte Dame nickte. Ihre Worte hallten durch meinen Kopf, das Päckchen mit Salz fiel zu Boden. Langsam. Fast in Zeitlupe und zog eine Salzspur bis zur Kasse. Frau Marx schaute genervt. Ich bezahlte nur die Milch. "Hey, ihr Wechselgeld..!" rief sie noch hinter mir her- aber da war ich schon auf dem Parkplatz. Mein Herz tat weh. Etwas.

4 Kommentare:

  1. Ich kenne da eine ganz ähnliche Geschichte von einem anderen Verkäufer, der ähnlich war...aber der hat dann letzendlich gekündigt...oh, Mann. Blöde alte Damen, hätten auch mal netter sein können!! *wütend bin*

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  2. Ja, so ist das manchmal mit Menschen, die man nicht mal richtig kennt, die aber doch eine mehr oder minder große Rolle spielen in unserem Leben. Ich denke so eine Geschichte hat jeder schon mal erlebt, wenn auch eventuell unbewusster als du, liebste Mia ;o)
    Man gewöhnt sich einfach an Dinge und Menschen, aber diese Episode hatte nun wirklich ein tragisches Ende :o/

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  3. Bin jetzt nochmals zu deinem Eintrag zurückgekehrt, nachdem ich ihn gestern schon gelesen hatte und heute untertags mal daran denken musste. Ich denke, dass es viel zu viele unsensible Menschen gibt...

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  4. @marco: Naja, ich denke, dass nicht nur die alten Damen dazu bei getragen haben..aber sie waren vielleicht auch ein kleiner Faktor. Bald werde ich ihm mal eine Blume bringen. Unbekannterweise.

    @e.r: Ja, da hast du wohl Recht. Einfach mal lächeln und alles wird ein klitzekleinwenig leichter. Bilde ich mir zumindest gern ein.

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