Ich saß auf der kleinen Parkbank im Wald. Sonnenstrahlen kämpften sich durch die Bäume. Dennoch war es kalt. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke etwas höher und steckte meine Hände tief in die Jackentaschen. Meine Jeans war an einigen Stellen sehr alt und abgenutzt und meine Vans hatten schon bessere Tage gesehen. Ich saß also da, so ganz allein und lauschte der Stille. Weit war ich gelaufen. Irgendwie war der Wald hier anders. Ruhiger als sonst, vielleicht auch trauriger und ein wenig fühlte ich mich wie Ronja bei den Graugnomen- nur das kein Nebel aufkam. Vögel hatte ich in der letzten Zeit nicht mehr gehört und scheue Waldtiere ließen sich auch nicht blicken. Nur eine Kellerassel trippelte an mir vorbei, hob kurz ein Beinchen und trippelte weiter. Langsam stand ich auf und ging erneut ein paar Schritte, einige Bäume trugen kleine Bändchen. Fast charmant wirkte es bis ich einen Mann sah.
Ein älterer Herr, er trug einen Stock und besaß nur noch wenige Haare. Er lehnte seinen Stock an den Baum und kniete sich mühevoll hin. Einfach so, auf den matschigen Boden. Fast liebevoll strich er über die holprige Erdschicht, wischte sich verstohlen die Augen und zog ein blaues Stofftaschentuch aus der Hosentasche. Ich wollte ihn nicht beobachten..aber ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Er zuckte leicht zusammen als er mich bemerkte und räusperte sich kurz. " Guten Tag. Besuchen sie auch jemanden?" Verwundert sah ich ihn an. " Einen schönen guten Tag wünsche ich ihnen. Wenn soll ich denn hier besuchen?" Er stopfte sein Taschentuch wieder in die Hosentasche. " Jeder diesen Ort findet besucht doch jemanden, oder?" "Ich verstehe sie nicht ganz." " Na..wissen sie ..ich besuche hier immer mein Herz. Es liegt dort unten." Er deutete auf den Baum. Ein feines weißes Band schlängelte um ihn. Hübsch sah er aus, der Baum. "Ich verstehe sie nicht recht. Warum liegt ihr Herz hier? Vielleicht können sie mir auch verraten weshalb viele Bäume solche Bändchen tragen." Nun sah er mich verwundert an. " Das wissen sie nicht? Jeder Baum, der ein Bändchen trägt, hat ein Herz an seiner Seite. Ein Herz mit einer Geschichte. Wie gesagt, mein Herz liegt hier. Baum Nr188. Die Zahl mag ich nicht...dafür aber den Baum. Der schönste Baum weit und breit. Finden sie nicht auch?" Ich nickte stumm und versuchte ihm zu folgen. "Mein Herz und ich..also..wir haben uns zusammen für diesen Baum entschieden. Groß gewachsen, kräftig und -schauen sie mal dort hin- da nistet sogar ein Vogel. Hübsch, nicht wahr?" Seine Augen glitzerten, verlegen drehte er sich weg. "Ich vermisse meine Gerti. Sehr sogar. Naja..ich muss gehen. Schönen Tag noch." Er hob kurz die Hand und humpelte eilig davon. Und dann erst sah ich es... das Schild mit den Erklärungen. Friedwald. Eine Art Friedhof im Wald. Morgen werde ich den Baum nochmal suchen und Gerti ein Blümchen bringen.
Du solltest ein Büchlein mit Deinen Geschichten schreiben :D Das mit dem Friedwald war mir zum Glück, als ehrenamtlicher Mobilitätshelfer für Senioren, ein Begriff.
AntwortenLöschenDie Story fand ich jetzt einfach schön! :) *hug*
Wieder etwas dazugelernt... und eine schöne Geschichte. Ein Baum lebt eine sehr lange Zeit.
AntwortenLöschenIch habe als kleines Kind total gerne die Kastanien vom großen Baum direkt neben dem Haus gesammelt. Kein Sommer verging, an dem ich nicht irgendwelche Haufen zusammengesammelt hatte. Kein Herbst verging, ohne das meine Mutter zumindest zwei, drei eingetrocknete Kastanien von meinen sommerlichen Aktivitäten im Haus fand.
Aber einige landeten auch wieder im Boden - hinterm Haus, im Blumenbeet links vom Hof (rechts steht schon der große Kastanienbaum).... zwei Kastanien haben seitdem überlebt. Der eine wächst fröhlich auf der Wiese neben dem Haus vor sich hin, der zweite steht im engen Blumenbeet und wächst weniger erfolgreich vor sich hin. Aber zum umziehen ist er leider schon viel zu groß. Schade...
oh das ist wunderbar, viel schöner als diese groben steinklötze...viel persönlicher...herrlich...
AntwortenLöschenOh... Als ich Deine Geschichte las, wußte ich mit jedem Wort mehr, worauf es wohl hinauslief (was es dann auch tat).
AntwortenLöschenDa mußte ich doch sehr schlucken.
Meine Tante ist vorgestern an Krebs gestorben (übermorgen wäre sie 58 geworden) und sie möchte auch in einem Friedwald beerdigt werden.
Eigentlich wollten mein Onkel und sie den Baum noch gemeinsam aussuchen, aber das haben sie leider nicht mehr geschafft. So mußte mein Onkel das alleine machen... Ich hoffe, er hat auch den schönsten Baum weit und breit ausgesucht...
:`-(
@ sari
AntwortenLöschenSo herrlich find ich das Ganze eigentlich nicht... Aber wenn man niemanden hat, der gerade gestorben ist, findet man den Ausdruck vielleicht weniger schlimm.
Unsere Hündin wurde gerade an Ostermontag eingeschläfert, mit 14,5 Jahren. Egal wann sie gehen, sie gehen zu früh. Jetzt ist sie auch an der Regenbogenbrücke und wartet auf mich...
In den letzten Monaten hatte ich so viele Abschiede, es ist furchtbar...
Prinzesin ich liebe dich. Melde dich bei mir. Bitte! Ich brauche dich.
AntwortenLöschen@eleo: Ich wußte nun auch, dass es sowas gibt..aber irgendwie war mir dann doch nicht bewußt, dass ich plötzlich selbst mittendrin bin. Es ist dort schon anders. Doch,echt. Ruhiger..friedlicher..
AntwortenLöschenEin Buch? Ich glaube, dass braucht die Welt nicht unbedingt. ;)
@martin: Kastanienbäume mag ich auch sehr gern. Vor unserem Haus stand immer einer..leider wurde der zu groß und irgendwann war er dann verschwunden. Es gibt viele großartige Bäume..einfach mal in die Baumspitzen schauen. :)
@sari:Mir gefällt der Gedanke auch. Ich glaube, sowas könnte ich mir auch vorstellen. Im Wald..unter einem hübschen Baum. Doch..
@christine: Das tut mir sehr leid. Für solche Situationen fehlen mir immer die Worte. Ich wünsche dir Kraft und Halt für die nächste Zeit. Sowas tut immer sehr weh und braucht seine Zeit. Alles alles Liebe. Wenn was ist..du kennst meine Mailadresse.
@anonym: Kein Interesse.